Abu Ghosoun ist der zweitgrößte Ort im WGNP. Er war vom Bergbauunternehmen El-Nasr an der Straße zum Roten Meer gegründet worden und war lange Zeit vom Unternehmen und dessen Infrastrukturen geprägt. Für die Mitarbeiter wurden Unterkünfte errichtet, in der Nähe des Hafens eine Moschee und eine Schule. Diese Einrichtungen bilden heute das Ortszentrum.
BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG IN ABU GHOSOUN
- Abu Ghosoun zählt heute etwa 150 Haushalte und ca. 750 Einwohner.
- Derzeit gibt es 44 vom Staat errichtete Wohngebäude, weitere 50 sind in Bau. Die restlichen 50 Familien wohnen in ihren ursprünglichen Unterkünften.
- Offiziell sind nur 34 der etwa 750 Einwohner erwerbstätig und verfügen damit über ein gesichertes Einkommen.
Der Großteil der Einwohner von Abu Gosoun betreibt Schafzucht, die anderen bestreiten ihren Lebensunterhalt durch Fischfang. Die Generation ihrer Väter und Großväter arbeitete für das Bergbauunternehmen El-Nasr. Die Rente, die sie beziehen, und der Lohn der Erwerbstätigen sind das einzige gesicherte Einkommen der Bewohner.
INFRASTRUKTUREN UND DIENSTLEISTUNGEN IN ABU GHOSOUN
Mit Ausnahme der Küstenstraße gibt es keine asphaltierten Verkehrswege. Die Dorfschule wurde 1973 errichtet. Rund um die große Moschee, die Mitte der 1980-er Jahre gebaut wurde und wohl den Grundstein für den Ort legte, ließen sich die ersten Bewohner nieder. Dieser Bereich bildet heute das Ortszentrum.
Die alten, einfachen Unterkünfte wurden im Jahr 2004 durch Wohngebäude ersetzt, die vom Staat errichtet wurden. Es handelt sich um drei Häuserreihen aus Backstein. Weil keine weiteren Baugenehmigungen erteilt wurden, hatte dies auf Grund steigender Bevölkerungszahlen eine akute Wohnungsnot zur Folge. Neben den Wohnhäusern sind die Moschee, die Schule und das neu errichtete Jugendzentrum die größten Gebäude im Ort.
Bis zum Jahr 2016 hatte Abu Ghosoun nur eine Grundschule. Mittlerweile gibt es auch eine Sekundarschule, die einzige dieser Art im ganzen WGNP. Die nächste befindet sich in Marsa Alam, 55 km von Wadi el Gemal, 85 km von Abu Ghosoun, 100 km von Qulan und 115 von Hamata entfernt.
Im Rahmen des Projektes LIFE errichtete der Umwelt- und Naturschutzverband von Hurghada vor fünf Jahren einen Kindergarten in Holzbau. Derzeit besuchen ihn etwa 13 Kinder. Sie werden von ortsansässigen Frauen betreut und auf die Schule vorbereitet. Die Betreuerinnen beziehen keinen festen Lohn, sondern die Eltern entrichten monatlich und je nach ihren finanziellen Möglichkeiten einen gewissen Betrag.
Über das Projekt LIFE wurde in der Nähe ein weiteres Gebäude aus Holz errichtet. Es fungiert als Werkstätte, in der heimisches Kunsthandwerk hergestellt wird. Hier weben Frauen traditionelle Teppiche und fertigen Accessoires aus Perlen an. Ihre Erzeugnisse werden in den Tourismuszentren und in Geschäften in Kairo und Alexandria zum Kauf angeboten.
Generatoren der Stadtverwaltung von Marsa Alam versorgen den Ort tagsüber mit elektrischer Energie. Nachts hingegen wird der Strombedarf vom Bergbauunternehmen El-Nasr gedeckt. Die Abwasser werden in Spezialtanks gesammelt und von der Stadtverwaltung entleert.
Wasser für den Hausgebrauch wird durch Entsalzung gewonnen, während Trinkwasser mit Tankwagen aus Assuan angeliefert wird. Die Bewohner von Abu Ghosoun haben keinen Zugang zu Trinkwasser, sie müssen es zum Preis von 55 EGP pro Barrel erwerben.
In Abu Ghosoun gibt es weder einen Gesundheitsdienst noch Krankenhaus oder Klinik. Jeder noch so kleine Eingriff, und sei es das Nähen einer Wunde, macht die Überstellung ins 90 Autominuten entfernte Krankenhaus von Marsa Alam erforderlich.
DIE BEVÖLKERUNG VON ABU GHOSOUN
Arbeitslosigkeit und mangelnde Existenzgrundlage
Die Arbeitslosenrate ist besorgniserregend hoch, weite Teile der Bevölkerung sind von Armut betroffen. Verstädterung und das Verschwinden alter, auf Selbstversorgung basierenden Lebensweisen verschärfen die Lage. Einige haben in den Büros des WGNP, in der Gemeindeverwaltung oder im Bergbauunternehmen El-Nasr eine geregelte Arbeit gefunden. Auch in den Hotelanlagen im Nationalpark gibt es Tätigkeiten, die der einheimischen Bevölkerung vorbehalten sind, sofern sie mit deren Sitten und Kultur vereinbar sind. Diese Hotels bieten befristete Jobs in niedriger Position, wie z.B. die Bewachung von Baustellen.
Allerdings sind die Ababda auch davon überzeugt, dass sie im Tourismus, aus dem sie zur Zeit so gut wie keinen Nutzen ziehen, mehr leisten könnten. Sie möchten ihre eigenen kleinen Projekte durchführen und – nach dem Vorbild von Qulan – den Touristen ihr Land und ihre Kultur näherbringen.
Trinkwasserversorgung
Trinkwasser ist knapp und die Versorgung der Bevölkerung durch Tankwagen ist aus mehreren Gründen problematisch
- Es gibt keine genauen Daten über die im Ort benötigte Trinkwassermenge. Tankwagen liefern Wasser über die Küstenstraße aus dem südlich gelegenen Assuan an. Wenn diese in Abu Ghosoun eintreffen, kommt es häufig vor, dass das Wasser nicht für alle reicht.
- Die Lieferung erfolgt unregelmäßig. Sie kommt weder zu bestimmten Uhrzeiten noch an bestimmten Tagen, sodass die Bevölkerung nie weiß, wann die nächste Lieferung eintrifft.
- Das Wasser ist außerdem so teuer, das es sich nicht alle Bewohner leisten können. Manchmal sind Familien auch nicht in der Lage, Wasser auf Vorrat zu kaufen, um Engpässe zu überbrücken. Die Lage wird zusätzlich verschärft, weil es keinen verlässlichen Plan für die Lieferung gibt.
Schlechte Ausbildung und prekäre schulische Einrichtungen
In der Regel kümmern sich die Frauen um die Erziehung der Kinder. Sie kompensieren das Fehlen von Schulen und den Mangel an Lehrern.
Der Kindergarten war ursprünglich zwar mit Möbeln und Lehrmaterialien ausgestattet worden, wurde aber nicht oder nur unzureichend gewartet. Nun müsste der Großteil der Einrichtung ersetzt oder repariert werden. Weil qualifizierte Lehrer fehlen, bereiten vor Ort und im Schnellverfahren ausgebildete Frauen die Kinder auf die Schule vor, lehren sie das Alphabet und den richtigen Umgang mit Feder und Stift.
Die Ausstattung der Schule ist insgesamt schlecht, es stehen auch keine Computer zur Verfügung.
Unzureichende Gesundheitseinrichtungen
Für jeden Arztbesuch müssen die Menschen ins 100 km entfernte Marsa Alam reisen und dazu braucht es ein Auto. Unter solchen Umständen gestalten sich Notfälle natürlich besonders problematisch. Und schwangere Frauen bekommen oft Wehen und gebären auf der Straße, bevor sie das Krankenhaus erreichen.
Unzureichende öffentliche Einrichtungen
Es gibt ein Jugendzentrum mit Fußballplatz, Bibliothek und Ausstellungsraum.
Organisation wie Ausstattung sind jedoch unzulänglich. Als Ort für Veranstaltungen und Initiativen zur Erhaltung des kulturellen Erbes der Ababda erfüllt diese Einrichtung eine gesellschaftlich wichtige Funktion, erfordert aber professionelles und innovatives Management.
Fehlende Stadtplanung und mangelhafte Infrastrukturen
Dem Ort fehlt ein städtebaulicher Masterplan. Häuser werden urbanistisch wie im Baustil vielfach ohne Konzept errichtet. Es gibt weder ein Wasser- noch ein Abwassernetz. Dabei wäre es wichtig, in einem partizipativen Prozess zwischen Bevölkerung, Planern und Behörden ein Gesamtkonzept für den Ort zu entwickeln.